Man hört es oft: da kauft ein Selbstwerber gutgläubig eine als 8 t-Winde bezeichnete Winde
vermeintlich günstig, um dann festzustellen, dass die Winde gerade einmal 4 t Betriebszugkraft hat. Der Importeur beteuert, die Winde entspreche trotzdem den EU-Vorschriften und hat damit sogar Recht. Denn es gibt da eine Gesetzeslücke, welche viele Importeure ausnutzen - zu Lasten gutgläubiger Erstkäufer. Man ist also gut beraten, gleich für dasselbe Geld eine Getriebeseilwinde mit garantierter Betriebszugkraft zu kaufen.
Die Sache mit der Nennzugkraft
Nach den derzeit noch gültigen Vorschriften darf sich eine Winde, bei welcher irgendwann auch mal eine Zugkraft von 8 t vorkommen kann (z.B. nur in der ersten Seillage) auch 8-t-Winde nennen. Dass die Betriebszugkraft dann oft nur die Hälfte beträgt, verschweigen einige Hersteller. Die Nennzugkraft sagt also wenig aus über die tatsächliche Zugkraft im Forst. Das ist zwar legal, aber unseriös gegenüber dem gutgläubigen Kunden.Nach der Betriebszugkraft fragen
Seriöse Hersteller geben die Betriebszugkraft an, welche man immer zur Verfügung hat. Diese Betriebszugkraft findet man in der Zeile: Seilkraft in der obersten Seillage. Nur dann, wenn ein Hersteller diese Seilkraft in der oberen Seillage offen angibt, hat man eine echte Entscheidungsgrundlage für den Kauf. Denn draußen im Forst ist natürlich nur diese Betriebszugkraft wichtig. Ansonsten kann es vorkommen, dass man einen Stamm nur die Hälfte der Wegstrecke ziehen kann, weil dann die Zugkraft zu klein wird.- Die Betriebszugkraft hat man immer zur Verfügung, auch bei voller Trommel.
- Die Nennzugkraft hat man nur in der ersten Seillage, also nur bei fast leerer Trommel.
Die Tabelle rechts zeigt, dass die 5,5-t-Seilwinde I sogar eine höhere Betriebszugkraft hat als die 8-t-Seilwinde II.
Der Grund dafür liegt im unterschiedlichen Aufbau der beiden Seilwindenarten:
- Winde II hat eine hohe, schmale Trommel. Der Hebelarm des Seils wird viel größer, und entsprechend kleiner wird die Zugkraft, und das bei immer schnellerer Seilgeschwindigkeit.
- Winde I hat eine breite Trommel mit wenigen Seillagen. Da ändert sich nicht viel, ob die Trommel voll oder leer ist. Sowohl die Seilkraft als auch die Seilgeschwindigkeit bleiben in allen Betriebssituationen erheblich konstanter.
Die Windenkonstruktion
Somit kann man ganz unterschiedliche Windenkonstruktionen herstellen:
- Windentrommeln nach II kann man quer zur Fahrtrichtung einbauen und dann mit einem einfachen offenen Kettentrieb antreiben (Kettenseilwinden). Das Seil wird dann mehrfach umgelenkt, bis es endlich in Seilzugrichtung hinausläuft. Außerdem muss das Seil bei II für 8 t ausgelegt sein. Das macht das Seil schwer und unhandlich, obwohl die Winde nur 4 t Betriebszugkraft hat.
- Als Haltebremse wird bei II meist eine offene Bandbremse verwendet, so wie wir sie von früheren landwirtschaftlichen Maschinen her kennen. Ausgeführt als selbstverstärkende Differenzialbremse, braucht man zudem nur eine kleine Bremsfeder. Das funktioniert, solange man die Bandbremse gut gegen Verschmutzung und Witterungseinflüsse schützt. Als Überlastsicherung gegen Seilriss ist diese Bremsbauart wegen der Selbstverstärkung und der Reibwertschwankungen allerdings nur schwer einstellbar.
- Windentrommeln nach I sind mittels eines voll gekapselten Schneckengetriebes mit Leichtlauföl gleich so eingebaut, dass das Seil ohne viele Umlenkungen direkt ablaufen kann (Getriebeseilwinden). Das Seil ist leichter und leichtgängiger als bei II, trotzdem ist die Betriebsseilkraft höher.
- Bei I ist die Haltebremse eine moderne Lamellenbremse. Durch einen geschützten Einbau und durch einstellbare, direkt wirkende Druckfedern werden der Reibwert und die Bremskraft in engen Grenzen konstant gehalten. Die Bremse kann so eingestellt werden, dass sie als Überlastsicherung anspricht, bevor die Mindestbruchkraft des Seils erreicht ist.
Die Sache mit dem Preis
Viele Interessenten einer Forstseilwinde sagen zu Recht, dass gerade bei der Erstinvestition der geringe Einstiegspreis entscheidend ist. Das ist richtig und wichtig. Man sollte aber davon ausgehen, welche Betriebszugkraft man für den Preis bekommt, und nach dieser Betriebszugkraft die Winde aussuchen und vergleichen. Denn nur die Betriebszugkraft bewegt den Baum im Wald ohne Einschränkungen, nicht eine hohe Nennzugkraft auf dem Papier.Fazit
Wenn man die Forstseilwinden nach der Betriebszugkraft vergleicht, wird man feststellen, dass bereits hochwertige Getriebeseilwinden in der gleichen Preisklasse zu haben sind wie Kettenwinden. Warum dann sein kostbares Geld nicht gleich in einer langlebigen Getriebeseilwinde anlegen?
Dr. Johannes Sebulke, Fachjournalist und Berater für Forsttechnik