Dienstag, 26. April 2016

Drum prüfe, wer Holz daran bindet (Ausschnitt Fachartikel der Fachzeitschrift Forstmaschinenprofi)

Die zuverlässige Prüfung von Seilwinden ist nur mit einem Meßstand möglich


Zu jeder Seilwinde gehört ein Prüfbuch. Doch viele Winden werden nicht geprüft; die meisten kommen sogar schon mit abweichenden Zugkräften aus dem Werk. Die Folge können schwere Unfälle sein, bei denen Seilwindenbetreibern hohe Schadensersatzforderungen drohen. Das mobile Winden-Prüfsystem „RiBaDe“ schafft Abhilfe, nur gibt es zu wenige dieser Prüfstände. Jetzt drängen auch andere Hersteller in den Markt.

An einem eisigen Wintertag im Jahr 2008 führten Ernst Riedel und Ekkehard Debnar bei der Firma Schlang & Reichart im Allgäu die GS- und KWFGebrauchswert- Prüfung einer Forstseilwinde durch. Insbesondere die Ermittlung der Bremshaltekraft bereitete dabei große Probleme. Für diese Messung stand den beiden Technikern kein Prüfinstrument zur Verfügung, denn ein solches Gerät gab es damals noch nicht. Stattdessen wurden die Brems- und Zuglasten mit Fremdsystemen wie Gabelstaplern und tonnenschweren Gewichten aufgelastet, die mit dem komplett ausgerollten Seil der Winde verbunden waren. An jenem Tag im Allgäu flogen manche Hilfsmittel und die Zugseile bei den meisten Meßversuchen jedoch unkontrolliert durch die Gegend, so daß Riedel und Debnar die Prüfung nur unter unzumutbaren, sehr gefährlichen Umständen abschließen konnten.

Schließlich endete der kalte Wintertag nach einer leiblichen Stärkung und einem Gang in die Pfarrkirche St. Martin zur Danksagung für einen chaotischen Prüftag, der jedoch ohne Personenschäden blieb, bei Weizenbier in einem Wirtshaus. „Wir brauchen einen Windenprüfstand“, stellten die beiden nach dem ersten Zuprosten ernüchtert fest und skizzierten auf einem Bierdeckel einen ersten Entwurf. Am Ende des Abends standen acht Weizen auf der Rechnung und vor Ernst Riedel und Ekkehard Debnar lagen zwanzig bemalte Bierdeckel mit den Konstruktionsplänen eines Windenprüfstands. Diese Winternacht war die Geburt des Windenprüfsystems RiBaDe, das in den folgenden zwei Jahren bis zur Marktreife entwickelt wurde.
Der Name RiBaDe entstand aus den Initialen seiner Entwickler: Ernst Riedel von der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (SVLFG), dem Landmaschinenmechanikermeister Johannes Baur, der den Prüfstand als Teilhaber der Firma Schick & Baur Landtechnik in Achstetten in die Praxis umsetzte, und Prüfingenieur Ekkehard Debnar vom Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e.V. (KWF).

Hohe Haftung bei Unfällen

Bei der Anschaffung einer Seilwinde erhält jeder Käufer ein Prüfbuch, denn Seilwinden müssen einmal jährlich durch eine befähigte Person auf die einwandfreie Funktion der Sicherheitseinrichtungen und eventuelle Schäden überprüft werden, genauso wie alle Hub- und Zuggeräte. In der Praxis unterbleiben diese Prüfungen jedoch oft. „Sogar neue Seilwinden weisen häufig erhebliche Mängel auf“, weiß Ekkehard Debnar aus 35jähriger Prüfpraxis für das KWF. „Bei rund 80 Prozent auch der werksneuen Forstwinden stimmt die Zugkraft nicht. Entweder ist sie zu hoch oder zu niedrig.“ Beides kann sich beim Betrieb der Winde fatal auswirken: Ist die Zugkraft zu hoch, drohen Beschädigungen wie Seilbrüche während der Arbeit, ist sie zu niedrig, kann sich ein Windenbenutzer auf die verfügbare Zugkraft und das Halten der geseilten Lasten nicht verlassen. Deshalb sollen neue Winden künftig nur noch mit einem dazugehörigen Prüfprotokoll verkauft werden dürfen. Eine der wenigen Firmen, die werksneue Winden bereits prüft und dem Käufer ein Prüfprotokoll aushändigt, ist das Unternehmen Pfanzelt Maschinenbau aus Rettenbach im Allgäu.
Die Prüfung einer Seilwinde ist nach den Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Land- und Forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften auch nach einer Reparatur nötig, um die Werkseinstellungen wiederherzustellen. Die regelmäßige Prüffrist beträgt bei Winden im Profieinsatz ein Jahr. Bei sogenannten Bauernwinden, die von Landwirten überwiegend nur während der Winterarbeit genutzt werden, oder bei Winden im privaten Einsatz, werden Prüffristen von zwei Jahren akzeptiert. Die Nichteinhaltung der Prüffristen kann im Profieinsatz dazu führen, daß ein Unternehmer bei der Arbeit in zertifizierten Wäldern von der Auftragsvergabe ausgeschlossen wird. Außerdem drohen empfindliche Bußgelder und Regreßforderungen des Unfallversicherers, wenn sich Mitarbeiter des Unternehmers bei der Arbeit mit einer ungeprüften Winde verletzen. Bei privaten Holzmachern können die Folgen sogar noch drastischer sein: Kommt ein Dritter bei der Arbeit mit einer ungeprüften Seilwinde zu Schaden, wird der Windenbesitzer haftbar gemacht.
Sachkundige, die eine Prüfung vornehmen dürfen, sind befähigte Personen mit Fachkenntnissen. Das bedeutet: Die Prüfperson muß eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben, über Berufserfahrung im Umgang mit Seilwinden verfügen und einer ähnlichen beruflichen Tätigkeit nachgehen. Das kann beispielsweise die Durchführung von mehreren Windenprüfungen pro Jahr sein, um regelmäßige Prüfpraxis zu erlangen. Im Prinzip können befähigte Privatpersonen ihre eigene Winde selbst prüfen. Das setzt allerdings einen Sachkunde-Nachweis voraus, für den die SVLFG Lehrgänge anbietet sowie geeignete Meßinstrumente wie einen Seilwindenprüfstand. Weil solche mobile Prüfstände jetzt vorhanden sind, werden immer mehr Windenhändler damit ausgestattet. Die Einweisung zur richtigen Prüfmethode muß von den Windenherstellern erfolgen.

Sicht- und Funktionskontrolle

Die Prüfung beinhaltet eine Sicht- sowie eine Funktionskontrolle. Bei der Sichtkontrolle werden unter anderem der Zustand und die Vollständigkeit des Gerätes, der Seilrollen, des Seils sowie die gesamte Tragkonstruktion begutachtet. Verschleiß, Korrosion und Beschädigungen werden dabei ebenso bewertet wie der Zustand der elektrischen Anlage und der Hydraulikkomponenten. Außerdem müssen alle Sicherheitseinr i chtungen der Winde wirksam sein, genauso wie eine eventuell vorhandene Funkfernsteuerung. Zu der Funktionsprüfung gehören die Messung der maximalen Zugkraft, die Bremsüberschneidung mit der Reaktionszeit von Kupplung und Bremse sowie die Ermittlung der erforderlichen Bremshaltekraft. Gerade diese Brems-/KupplungsÜberschneidung der Seilbrems- und -haltekraft muß an jeder Winde optimal eingestellt sein, um ein ungewolltes Zurücklaufen der Last nach dem Beiziehen zu verhindern.
Die Prüfung der maximalen Windenzugkraft ließ sich bislang auch ohne Prüfstand durchführen. Dazu wurde beispielsweise eine Zugwaage an das Windenseil montiert, der Wert abgelesen und im Prüfbuch notiert. Die Bremshaltekraft ließ sich ebenfalls mit Hilfe einer weiteren Kraftquelle messen. Das konnte ein Schlepper oder ein Gabelstapler sein, die für den nötigen Gegendruck sorgten. Diese Verfahren waren aber äußerst unzuverlässig und gefährlich für den Prüfer. Hinzu kam ein sehr hoher Material- und Zeitaufwand, eine Prüfung mit diesen Methoden konnte bis zu einem Tag dauern und war deshalb sehr teuer. Eine definierte Bremsüberschneidung ließ sich ohne Prüfstand allerdings nicht messen. Bis zur Entwicklung des Systems RiBaDe tolerierten das KWF als GS-Prüfstelle und die Berufsgenossenschaften derartige Messungen. Seitdem sich die Werte mit dem RiBaDe-Prüfstand elektronisch messen und aufzeichnen lassen, gilt das aber nicht mehr. Denn der Bremsweg zählt zu den wichtigsten Funktionen einer Winde. Wenn das Seil von Ziehen auf Halten umgestellt wird, muß die Bremse sofort greifen und das gezogene Holz unmittelbar liegenbleiben. Das gilt um so mehr beim Beiseilen von Holz in Hängen und Steillagen, damit schwere Stämme einen Abhang nicht unkontrolliert herunterrutschen können. Solch „schießendes Holz“ kann sogar einen Seilwinden- Schlepper mitreißen.
Um solche Unfälle zu vermeiden, muß die Windenbremskraft mindestens das 1,25fache der maximalen Zugkraft betragen. Bei der Prüfung einer Vier-Tonnen-Seilwinde beispielsweise wird die Bremseinrichtung mit einer Kraft von 50 Kilonewton, das entspricht fünf Tonnen, belastet. Dabei wird beim System RiBaDe diese über die maximale Windenzugkraft hinaus erhöhte Belastung mit einer Hydraulikeinheit unter langsam erhöhter Belastung manuell aufgebracht.

Prüfung in nur 15 Minuten

Die Prüfung mit dem System RiBaDe erfolgt in der Regel auf der untersten Seillage auf dem Trommelkern, weil nur dann die maximale Zugkraft erreicht wird. Nur in Ausnahmefällen dürfen Prüfungen in der oberen Seillage durchgeführt werden; RiBaDe kann grundsätzlich sogar in jeder Seillage prüfen. Windenseile aus Kunststoff sind zur Prüfung nicht zugelassen, weil sie sich weiter dehnen als Stahlseile und die Meßergebnisse verfälschen. Sie müssen durch ausreichend feste Prüfseile aus Stahl ersetzt werden.
Zur Prüfung wird das Seil bis auf drei Umwicklungen komplett von der Seiltrommel gezogen. Dabei begutachtet der Prüfer das Seil gleichzeitig auf Beschädigungen. Der Seilanfang wird anschließend mit mindestens drei Umschlingungen auf einen Spillkopf am Prüfstand gewickelt und der Windenzug in kleinen Teilschritten bis zur Nennzugkraft eingeleitet. In dieser Position werden auch die Kupplungsüberschneidung und die Bremshaltekraft mit einem hydraulischen Meßsystem und Prüfzylindern ermittelt.
Alle Daten werden in einem Meßprotokoll elektronisch erfaßt und lassen sich ausdrucken. Dieses System gilt als manipulationssicher. Der Zeitaufwand für eine komplette Prüfung mit dem RiBaBe- System beträgt nur rund 15 Minuten und kostet etwa 60 Euro.

Viel zu wenig Prüfstände

Die Anzahl der forstlichen Seilwinden in Deutschland schätzt das KWF auf über 200.000. Für deren regelmäßige Prüfung würden etwa 250 Windenprüfsysteme benötigt. Doch so viele Prüfstände sind bei weitem noch nicht vorhanden, derzeit sind nur drei Systeme auf dem Markt: das Prüfsystem RiBaDe, das Modell Ropo- Check 100, eine Entwicklung der Firma Schmid Landmaschinen aus Waldstetten aus dem Jahr 2014, sowie der zu Beginn dieses Jahres vorgestellte Seilwindenprüfstand Easy Pull G.S der Firma Unterreiner Forstgeräte. Die Anzahl der verfügbaren Maschinen ist überschaubar: Von dem System RiBaDe gibt es etwa 25 Stück, vom Ropo-Check 100 fünf und vom Unterreiner-System 17. Alle Prüfstände lassen sich transportieren, einzig der RiBaDe besitzt eine KWF-Prüfung. 
Für Windenbesitzer und -betreiber zeigt Ekkehard Debnar die Funktionsweise des RiBaDe-Systems auf den KWF-Thementagen Mitte Oktober in Groß Heins (siehe Bericht Seite 54) am Beispiel einer Fünf- Tonnen-Seilwinde.

Dieser Artikel wurde verfasst von Max Riemann und erschien in der Ausgabe 10-2015 der Fachzeitschrift Forstmaschinenprofi.

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